1) In einer Gemeinschaft wie Tamera leben (2013)
2) Arunachala Pilgerblog (2015)
3) Wir haben keine Wahl, darum “Erschaffe deine Welt ?!” (2023)
4) Zu Yama- dem ersten Glied des achtfachen Yogapfades. Heute: „Wirtschaften“ (2013)
5) Wut tut gut! – Wut macht uns Angst. (2022)
6) Was uns unser Handysucht vielleicht sagen mag. (2022)
1) In einer Gemeinschaft wie Tamera leben
Ein Gespräch mit Joya.
von Sascha Tscherni, Juli 2013
Meine österreichische Freundin Joya lebt seit fünf Jahren in Portugal. Der entscheidende Beweggrund für sie damals Österreich zu verlassen war ihre Sehnsucht nach einer großen Gemeinschaft, die alle Elemente des Lebens beinhaltet.- Die Vision eines heilen Biotops, in dem Mensch, Tier und Pflanzen friedlich miteinander leben, das zog Joya nach „Tamera“. Einen von Deutschen gegründeten Heilungsbiotop in Portugal.
In Tamera habe Joya erfahren, wie stimmig es sich anfühlt, in einem „Liebes-Netzwerk“ zu leben, das das herkömmliche Partnerschaftsmodell ablöst. Diese gemeinschaftliche Art zu leben hat sie derart begeistert, dass sie fast vier Jahre, bis letzten Juli (2012) in Tamera geblieben ist. –
Was hat Joya nach vier Jahren für sich erkannt? Wo lebt sie jetzt nach ihrer Zeit in Tamera? … und was wäre, wenn sie wieder nach Österreich zurückkäme?
Gerade erst hat die 30ig Jährige wieder einen Mann getroffen, bei dem für sie alles gepasst hätte und mit dem sie sich gut vorstellen hätte können eine Familie zu gründen. Schon immer wieder verlockend durch diese Lebenspforte zu gehen, doch irgendeine Intuition oder Ahnung hält Joya davon ab. – Es ist die Sehnsucht nach einer größeren und funktionierenden Gemeinschaft. – Der Wunsch mit etwa 20 Menschen in einem Vertrauensraum zu leben, wo man sich gemeinsam um die Kinder kümmert. Sie will nicht in zu enge Muster rutschen. Dass Kinder wie in Tamera gemeinsam in Yurten leben und jeden Tag andere Eltern für bestimmte Kinder-Gruppen gleichzeitig da sind, diese Idee des arbeitsteilendes Dorfes hat für Joya sicher viel mehr Kraft als die Kleinfamilie. Dazu kommt Joyas Hintergrunderfahrung über ihre alleinerziehenden Feundinnnen in Österreich. Die Statistik weiß es auch: Alleinerzieher:innen sind überfordert, isoliert bis stigmatisiert bei der Arbeit so wie privat. Und zu dem sind Alleinerziehende auch noch am meisten armutsgefährdet.
Doch welche Spannungsfelder gibt es in Joyas Leben? Eine Säule Tameras ist die Forums-arbeit. Bringt diese Kommunikationsweise jene Heilung, zu der ich auch mit so-sein.at einladen möchte? Alles, was vielversprechender klingt als das altbekannte explosive Geschrei gepaart mit kalt trennender oder beschwichtigender Kommunikationslosigkeit macht mich seit jeher neugierig. Ist ein nachhaltigerer Umgang mit unserer aller Liebes-sehnsucht jenseits der Medidationshöhle wirklich möglich ?
Joya antwortet sehr vorsichtig. Sie beschreibt die vier Jahre in Tamera als eine intensive Ausbildungszeit. Sie hat zuhören gelernt. Sie hat gelernt, wie unterschiedlich man mit Emotionen zueinander umgehen kann. Viel Wut war da immer wieder in ihr. Und ist auch heute noch da im engen Zusammenleben. -Das fesselt meine Neugier, denn wo Frauen offen wütend sein dürfen, da darf vielleicht auch noch viel mehr Wut, die tief unterdrückte weibliche heiße Wut der letzten zwei Jahrtausenden ausgedrückt werden. Da atme ich natürlich auch als Mann auf, sei die Wut auch erstmal gegen mich als Mann gerichtet.
Joya führt erstmal allgemein aus: „Wichtig ist es geeignete Räume für diese Wut zu schaffen. Sie nicht direkt auf einen Menschen zu richten, sondern einen positiven, kreativen Ausdruck für die Wut zu finden. Das Forum ist ein möglicher Raum dafür, wo Menschen lernen ihre Themen künstlerisch, theatralisch wie auf einer “Weltenbühne” aufzuführen. So lernen sie sich mit ihren Themen nicht unbedingt zu identifizieren. Klar wird, dass wir alle ähnliche Themen haben und dass wir gemeinsam Lösungen dafür finden können. Wichtig ist es den Menschen in Tamera, aus dem “Ping-Pong” zwischen den Geschlechtern auszusteigen . Es sei viel besser die Themen in einen größeren Kreis zu bringen, als ständig die gleichen Dinge untereinander zu verhandeln. Friedensarbeit zwischen Mann und Frau. Arbeit an den traumatischen Punkten der Geschichte. Der Krieg der Geschlechter wird als maßgeblicher Punkt gesehen, warum es Krieg gibt auf dieser Welt. Und in Tamera wird daran gearbeitet, ein Feld für wahren Kontakt zwischen Mann und Frau aufzubauen mit dem Ziel, dass die Liebe zwischen Mann und Frau sich entwickelt und bestehen bleibt.”
„Ist also das Forum die zuständige, alleinverantwortliche „Institution“ für Emotionen in Tamera ?“, frage ich nach.
Joya: „Das Forum ist eine Hilfe, einen kreativen Ausdruck für Emotionen zu finden. Aber natürlich ist es auch wichtig, Wege im Alltag zu finden. Und da ist jeder Mensch selbst verantwortlich. Ich weiss genau, dass ich auf Dinge im anderen reagiere, die mit mir selbst zu tun haben. Deshalb werfe ich meine Wut nicht auf andere drauf, sondern lerne über mich. – Lerne mich kennen und verstehen und handle bewusst ohne meine eigenen Probleme auf andere abzuschieben.“
Okay, kommen wir zum Punkt: Warum hat Joya Tamera verlassen ?
Tamera ist ein öffentliches Ausbildungs- und Forschungszentrum für den Aufbau einer neuen Kultur. Vereinte Pioniere treffen zusammen, die ihr ganzes Leben für die Rettung der Welt geben. Ohne starker Ausrichtung und ohne ausformulierter Absichtserklärung könnte man da schnell wieder einpacken. Doch Tamera schafft es anerkannte Friedensdorf Projekte in Israel und Kolumbien zu gründen. Aufgeräumt für die Medien, guter Kontakt zur politischen Öffentlichkeit Portugals – und doch: auffällig wenig Tameraner sprechen Portugiesisch, die Sprache der umliegenden Nachbarn. Kritische Stimmen meinen, Tamera habe einen „Biospären 2“ Charakter.
Joya war Tamera zu öffentlich, um sich wohl fühlen zu können. Sie durfte z.B. in dem von ihr angelegten Permakulturgarten kein Zelt aufschlagen, da in regelmäßigen Abständen das Fernsehen oder eine Gästegruppe durch den Garten hindurch geführt wurde.
Aber noch etwas irrtierte sie und ließ sie „aus ihrer Kraft kommen“, wie sie meinte. Etwas ließ Joya nicht wirklich Anschluss finden an die Kern-Gruppe der Gemeinschaft. Anmerkung meinerseits: So wie Joya geht es auch mir nicht darum, zu beschuldigen oder pauschalisierende Kritik an etwas sehr Großem, Komplexen und lang gewachsenen Lebendigem zu üben, sondern darum, einem Einzelschicksal eine Stimme zu geben. Das kann u.U. manchmal auch das umgebende Feld erhellen oder aufhorchen lassen ohne dabei aber Polaritäten zu schüren.
Joya ist auffällig vorsichtig in ihrer Formulierung. Sie möchte jedenfalls kein schlechtes Wort über den Träger-Kreis der Gemeinschaft verlieren und bezieht die Enttäuschung lieber auf sich selbst.
Sie meint, sie habe in ihrem Leben andere Schwerpunkte, die in Tamera nicht so wichtig sind. Sie liebt es zu Singen, zu Tanzen, Tantra- Atemübungen zu praktizieren. In Tamera – als Universität für eine neue Friedens-Kultur – geht es aber mehr um Wissen und Wissensvermittlung. Außerdem ist es in Tamera kaum möglich heimelige Räume wie in Österreich aufzubauen. Und dieses Gefühl für Musik, Tanz und die Liebe zu „heimatlichen Räumen“(Zitat Joya) nicht wirklich akzeptiert zu werden, hat Joya nach neuem Ausschau halten lassen.
Schließlich meint Joya: “In Tamera gibt es von einigen, auch meinungsbildenden, Menschen unterschwellig Kritik an “Hippies” und das war für mich einfach anstrengend und Kraft raubend.” –
Sie lebt nun gemeinsam mit elf anderen seit Herbst 2012 in der Nachbarschaft Tameras, in „108“. Sie schaut jetzt mehr auf sich und darauf, wofür ihr Herz wirklich schlägt. Joya ordnet sich weniger einer großen politischen Vision unter und schält gerade mit den jetzt viel wenigeren Gemeinschaftsmitgliedern von „108“ eine detaillierte Vision aus der vorläufigen „free hearts, paradising home!“ heraus.
“Auch Heute treffen wir uns zum “Dreaming 108” – Strukturaufbau für das Land, Häuser, Seen,…
und am Abend gibts Vollmond Tanz-party. Da kommt eigentlich immer jeder.”
Joya meint, dass für sie gerade tiefe Prozesse eher in kleineren Gemeinschaften oder in Gemeinschafts-Intensiv-Zeiten möglich sind. Da sind sie alle auf engerem Raum beisammen. Tamera hingegen hat mehrere Dörfer, und auch einige Menschen, die sehr alleine leben. Was aber nicht heißt, dass sie nicht auch dort sehr tiefe Prozesse erleben durfte.
Joya ist es ein Anliegen Netzwerkarbeit in ihrer Region zu machen. „ A Copa da Vida“heißt das Gemeinschaftsprojekt, das sie mitbegründet hat. 100ha Grund wird gerade gekauft. Geld wird gesammelt, um dort eine fruchtbare, Permakultur-landschaft zu kreiieren, mit eigenen Wasser-Retentionsräumen, die dafür sorgen, dass Land zu renaturieren. So kann das Regenwasser des Winters auch im trockenen Sommer für das Land zur Verfügung stehen.
Abschließend frage ich Joya, ob sie vorhat mit ihren Erfahrungen zurück nach Österreich zu kommen, um auch hier ein Ökodorf zu gründen?
Joya: „Ich habe bis jetzt wenige Menschen in Österreich getroffen, die wirklich ihren vollen Einsatz geben für den Aufbau von Gemeinschaft. Viele sind beschäftigt mit Kindern, Ausbildung und Beruf. Das ist der Vorteil von Menschen, die in ein anderes Land aufbrechen: Sie sind ganz da für den Aufbau der neuen Kultur und nicht mehr verstrickt in ihr altes Leben. Es braucht eine Kern-Gruppe die sich total dafür einsetzt und mit voller Kraft an die Umsetzung geht. Ich wünsche mir schon, dass es auch bald in Österreich möglich ist… aber es braucht halt einige Pioniere, die voll dafür leben. Es ist möglich!“
Danke Joya. Übrigens, dass es seit jahrelangen Bemühungen so ein ÖkoDorf (GEN – Global-Ecovillage-Network) in Österreich noch nicht gibt, dazu haben verschiedene sich bereits Gedanke gemacht und näher hingespürt. Auf so-sein.at erscheint in den nächsten Tagen ein Artikel zu diesbezüglicher Aufstellungsarbeit mit dem Titel: “Noch kein Ökodorf in Österreich ?”
Nachsatz:
Ich bin vor vielen Jahren mit Joya und einigen anderen in Montenegro und Albanien hauptsächlich wandernd unterwegs gewesen. Die Jahre darauf wanderten wir auch mit Kamelen durch die Bergwüste Sinai und verbrachten Zeit in der Negev Wüste in Israel. Neben den mich verzaubernden Landschaften und der starken Verbundenheit mit den Elementen, ist mir etwas ganz unvergesslich geblieben: Die Kreiskultur. Wir entschieden damals im Grunde alles durch die Weisheit der Gruppenpräsenz. Diese tiefe Ahnung von Weisheit innerhalb einer nicht-hierarchischen, achtsamen Gruppe, begleitet mich indirekt auch beim Yogaunterricht. Ein ungezwungenes und vertiefendes Zuhören (abseits von Selbstbehauptungen) ergibt sich nach dem Yoga ganz von selbst. Ganz ohne Methode oder Tradition.
2) Arunachala Pilgerblog
Was erwartet dich? - Immer wieder zieht es mich zum Arunachala, einem verehrten Berg in Südindien. Nach drei Jahren jetzt wieder in diesem Februar 2015. Ich unternehme eine weitere Pilgerreise, gemeinsam mit meiner vierjährigen Tochter. Hier kannst du einerseits über meine persönlichen Beweggründe zu dieser inneren und äußeren Reise lesen andererseits auch über unsere Erfahrungen um den Arunachala.
Pilgern? Ein Pilger ist ein Fremder. Jemand, der über ein fremdes Land geht. In einem erweiterten Sinn, vielleicht esoterisch stilisiert, - nun denn, schon auch gefühlt- pilgere ich seit meiner Geburt hier auf Erden, spätestens aber ab dem Alter von 23 Jahren, als ich mich Hals über Kopf und recht streng dem Spirituellen verschrieb.
Wie erging es mir denn dabei als (erden-mutter-)losen, religiösen Schwärmer zu anderen Zeiten in Indien? (Seit 1993 verbrachte ich insgesamt wohl ganze drei Jahre in Indien)
Wo identifiziert sich in mir der spirituell Suchende als Opfer, und wo als Held? Kann Identifikation sinnvollerweise irgendwann auch ganz ausfallen? - Nein nicht ganz, doch immer mehr: Ich werde dazu etwas mehr sagen und auf die "Advaita-Falle" eingehen.
Warum ich dann doch nicht Mönch wurde? Wie ich heute als Single, "Familie", Beziehungen und Gemeinschaft ganz undogmatisch immer noch als höchsten spirituellen Weg ansehe?
Wie unvermeidbar, schmerzhaft und auch befreiend es sein kann, immer wieder zu scheitern!
Warum ich überhaupt vom Alpenland zu einem 900m hohen Berg in Südindien pilgere?
... und was meine kleine vierjährige Tochter schon vor ihrer Geburt damit zu tun hatte?
All das und vieles mehr, mir noch Unbekanntes ab 1.Februar direkt aus Indien in diesem Artikel.
Dienstag 3.2.: In der Herzlupe Shivas dünsten und verbrennen.
Ich schreibe heute mal etwas, weil ich es irgendwie versprochen habe. Irrwitzig, einen Blog zu organisieren, wo doch unter diesem besonderen Berg Arunachala schon bei sehr schönen Gesprächen tendenziell die Worte einfach nur geschluckt werden.
Natürlich produziere ich– wenn ich nicht allzu matt von der Hitze bin- viele innere Worte über Indien und seine Straßen- und Tempelszenen. Ich stelle sogar sichere Diagnosen über die ersten zwei Chakren Indiens und dann auch noch über das dritte Chakra speziell für manche Touristen Tiruvannamalais. Das ist der Ort an dem Naima und ich mich seit gestern Mittag befinden. Außer diesen meinen Diagnosen und der Umstand, dass der Vollmond, die vielen neuen Straßen-Eindrücke und Coca-Cola für die Kleine (Naima ist vier) zu sehr sehr sehr viel Kreativität führen (ich muss sie manchmal dreimal laut rufen, damit sie mich überhaupt bemerkt), ist alles verdammt okay hier. Mein stiller Freund Arne, der hier von seinem dreijährigen Mönchssein sich mutig wieder unter Menschen mischt, bekocht Naima und mich gerade und hört gern nickend zu.
Alle Worte sind zugleich eine Winzigkeit und eine große Verwirrung, denn zu sagen gibt es letztlich rein nichts im Angesicht dieses Berges und der Tiefe des Herzens hier. Trotzdem wäre es doch fein, ein paar Hinweise über unser Leben hier vermitteln zu können. Hinweise auf einen Sog des Herzens und der Präsenz, die seit Jahren schon so-sein.at begründen.
Also wir sind erstmal gut angekommen, das wollte ich kurz mitteilen. Mein Kopf wird gut gedünstet, eine Vollmondnacht und eine Bergumrundung stehen vor uns.
Mittwoch 4.2.: Einheitsbrei
Wenn also schon Worte, dann gern auch ein paar Schachtelsätze und etwas Spiegelkabinett-tagebuch Charakter. „Pilgern“ heißt also über fremdes Land gehen. Für mich hatte es meist etwas „edles Ritterhaftes“ mich abzuheben, fremd und anders zu sein. Ob ich mich gerade durch diese Einstellung in eben diese Lebenssituation manovrierte - natürlich ist das reine Ansichtssache und immer wechselhaften Gefühlen unterworfen, wie ich meine Situation nun selbst gerade einschätze - oder ob ich mit dieser Einstellung nur dem Kraft gab, was ohnedies vom Leben ausgedrückt werden wollte, ...nun ja, das gilt es in meditativen Zuständen einfach nicht zu klären. Denn es wird klar: sowohl die Henne als auch das Ei waren zuerst und zuletzt da. Widersprüche, so etwas kennt nur das Denken. Nichts gegen Differenzierungen, nur manchmal werden sie eben in einen tiefen inneren Friedensbrei getaucht und verschwinden darin, meist tauchen sie etwas gereinigt wieder daraus empor. Das wäre nun ein Beispiel für Nicht-Dualität (Advaita Vedanta), für Meditation, die angestrengte Konzentration transzendiert hat. Zu den Sackgassen und Fallen des meditativen Advaitas komme ich noch. Es sei heute nur einmal bemerkt: So ein Sog in den inneren Friedensbrei, das passiert an diesem heiligen Ort halt gern von selbst, immer wieder, sehr oft am Tag, so zwischendurch. Zwischen neuen Prinzessinnen-Kleider kaufen -Naima wollte eigentlich einen Sari und dunkle Hautfarbe, um so zu sein wie die Menschen hier- und ein paar geschickt gewobenen Straßen-Ärgernissen, die einfach so hochkochen und sich wieder legen.
Zu meiner inneren Einstellung „ein edler Fremder zu sein“, kam seit Mitte der 19neunziger Jahre etwas recht Bizarres: Zu dieser an sich schon trennenden Idee (jede Idee trennt sich ja in gewisser Weise vom so-sein lassen ab und weist auf etwas anderes hin) tauchte eine fast kriegerische und selbstzerstörerische Überzeugung auf, die hieß: „the shit hits the fan“ (auf gut Deutsch: alles wird immer beschissener, bevor es zerplatzt und transzendiert werden kann). Alle Pilger- und Heiligengeschichten, die mir unterkamen, hatten das selbe „Happy-Shity-End“: Von Ramana Maharishi bis Eckehart Tolle, von Jesus bis Mooji überall verstand ich nur: Alle Illusion muss sterben, damit das Wahrhaftige aufwachen kann. Da war für mein zielgerichtetes Denken die Ausrichtung also schnell klar. Statt mir etwas aufzubauen, sollte lieber alles trügerisch Sichere zerstört werden. Darin lag Hoffnung im inneren Nebel, aber auch arrogante Verantwortungslosigkeit eines Wohlstands-gebetteten. Den meisten Menschen ist irgendwie klar, dass das bisherige kapitalistische System nicht mehr lange wehrt, nur ich zog, die spirituelle Fahne schwingend, auch noch voraus ins Verderben. - Das sind starke Worte, irgendwo dazwischen liegt ein sich erweichendes Herz, Frust, viel Bemühung und Flexibilität. Und natürlich mehr Vertrauen ins Nicht-Wissen. Seit einem guten Jahr hatte ich mein Ziel erreicht: The shit has hit the fan every day in new ways. Nichts war mehr zu erklären, zu kontrollieren oder festzuhalten.
Schön wieder beim Arunachala zu sein, er holt mich nach wie vor ganz ohne Intention dort ab, wo ich gerade bin und klopft mir verwirrte Ideen aus der Manteltasche.
Wie ich Naima hier schon 2009 traf, als sie noch gar nicht auf der Welt war und wie ich jetzt versuche Kinder für sie zu finden, damit wir nicht allzu sehr aufeinander treffen, davon erzähle ich wahrscheinlich in den nächsten Tagen einmal.
Nacht auf Freitag, 6.2. - Allerlei vertraut exotischer Alltag
Wie ernst manche Suchende sich abschneiden, wie absichtlich sie sich abtrennen vom Leben. Orangetragende Saddhus. Orange steht anscheinend für das Feuer des Lebens, dem sie entsagen. Sie geben das Feuer also ihrer Kleidung ab. Weißtragende Touristen. Religionen rund um zu viel Energie und rund um ein paar Erwachte, die auch längst vergessen haben, wer sie einmal waren. Lust auf Lernen - hat das nach der alten Schule nicht mit verspürtem Mangel und Sehnsucht nach anderem zu tun? Bevor noch die natürliche ungetrübte Neugier wieder entdeckt wird, für die dann wieder gelten darf: „Was Hänschen nicht lernte, lernt Hans mit Freude.“ (so ähnlich formuliert es glaube ich Arno Stern) - Wie überall ein Schrei nach echter Begegnung, ein Ende der Knechtschaft des männlichen Geistes. Herz-Verbindung zählen. De-sexualisierte Wesen schleichen im Off um den Schrein eines Verstorbenen. Ich gehöre zu einem großen Teil dazu. Es macht mich glücklich, ich vermisse nichts an diesem Kraftort.
Tiru(vannamalai) ist ein aufgedrehter oder überdrehter Shivakessel. Die 24-stündige Nähe zu meiner kleinen Naima, seit jetzt schon über einer Woche – wir haben zwar schon Kinder getroffen, doch so richtige Tobewichtel, wie Naima es gerade hier am Moped wird, gab es bisher nur eine einzige - das erinnert mich sehr an Naimas erstes Lebensjahr, als ich mir auch manchmal wünschte, dass sie sich doch nur ein klein bisschen verletze, damit sie doch nur ein bisschen gedämpfter sei. Als ich ihre Seele hier 2009 an diesem feurigen Berg traf, war ja eigentlich schon vorprogrammiert, dass es ein feuriges Kind sein würde. Arunachala ist feurig, er kocht mit allen Gewürzen. Auch als ich dann Naimas Mama kennenlernte, war in kürzester Zeit meine Umgebung farblich orange und rot und nicht mehr blau, grün und weiß wie zuvor. Dieses Farbenspiel passiert ganz von selbst und hat sogar noch viel ältere Wurzeln, in europäischen Adelsgeschlechtern. (- Naja, vielleicht ein andermal mehr dazu...) Heute bei der Schneiderin entschieden wir uns jedenfalls für blaue und türkise Stoffe. Kühlendes Joghurt und Bananen helfen auch. Vorausgesetzt man wartet nicht eine Stunde darauf. Unglaublich, es waren nur drei Tische in einem recht großen „Tibetean Restaurant“ besetzt.
Wie sieht denn unser Tag so aus?
Wieder „Hallo“ sagen. Viele Inder erinnern sich an mich. Das freut und wundert mich. Ich hab vor Jahren hier wirklich gelebt, manche wissen auch noch, dass ich vor drei Jahren das letzte Mal hier war. Manche Touristen kommen auch immer wieder oder fahren gar nie fort von hier.
Wenn wir nicht im Ramana-Ashram Affen; Kühe und Pfauen bestaunen, während ich nebenbei in herzverzückende Samadhis verfalle, dann checken wir wie zu Hause auch hier den ganzen Tag herum. Mit unserem schnellen Moped mit der kleinen Hupe. Alles dauert länger und hat mit diesem Klima, der Vegetation, den vielen freundlichen Blicken und der Geräuschkulisse für mich halt was Altvertrautes, recht Freies und Konsumrauschiges. Zu planen gibt es immer wieder wohl etwas, doch an der Verwirklichung festzuhalten bringt hier schon extra nichts, denn jeglicher Versuch von Logik wird von Shiva sofort boykottiert. Als ginge es nur noch darum energetische Qualitäten auszudrücken, lineare zeitlich und örtlich gebunden, oder gar kausale Geschichten zerinnen einfach, sie rutschen am Moment ab. Da setzt sich eine schweigsame Kommunikation einfach an einem anderen Ort ungeplanter Weise nur fünf Minuten später fort. Zuerst mit der selben Person, dann setzt sie sich noch ein drittes Mal fort, allerdings mit einer anderen Person, die nur zufällig die gleiche Qualität wie die vorige hervorruft. Das muss jetzt für Menschen außerhalb Tirus wirklich gar keinen Sinn ergeben. Doch Synchronizitäten hat man ja vielleicht schon erlebt. Hier sind sie Alltag.
Naima wird fotografiert, freundlich belächelt. Sie wird in die Wangen geknufft. Ich schütze sie immer wieder mal. Will sie gerade wirklich fotografiert werden? - Wenn die wüssten, dass sie ihren Namen schon schreiben kann, dann müsste sie auch noch Autogramme geben. „Where is your mum?“ Vater und Tochter reisen allein, die Mutter ist auf Musik-Tournee. Man wundert sich über Foreigners insgeheim, oder bewundert sie manchmal auch. Wer weiß? Wir haben nicht nur verdammt viel Geld, sind zugleich knausrig und aufgeregt verplant, crazy...wir sind einfach Fremde, an denen man gut verdienen kann. Vor drei Jahren noch kostete ein kleiner Chai 3.- bis 5.- Rupees, heute sind es schon 20.-
Naima träumt in der Nacht von Kleidern, die alles verbinden, von ganz besonderen Kinder Saris und von dunkler Haut. Und natürlich von dem irr fließenden Straßenverkehr hier. Wie schön still um mich die Nacht dann ist, Zeit zu schreiben und mich schlucken zu lassen von Arunachalas Präsenz. Begleitet von Zikaden und immer noch fernen Hupen. Zu Hause fühl ich mich hier, wenn es still um mich wird.
Montag 9.2. - im sicheren Spirit "Leo"
Gibt es wirklich etwas zu schreiben? Ich stelle mich oder uns wohl hier selber mehr vor als Tiruvannamalai und seinen verehrten Berg. Da diese Einträge aber doch von manchen gelesen werden und ich einfach gern schreibe, schreibe ich also weiter.
Vielleicht ist es für viele Westler in Tiru wie in einem „sicheren Leo“ im sonst dramatischeren Spiel des Lebens. Weniger ein gesunder Rausriss, als ein Art Himmel in der Dualität. Sprich, ich sehe im Ramana-Ashram* verbitterte und ernste Gesichter, verkrüppelte Körper, die doch so schönes Licht und Hoffnung ausstrahlen. Und diese Betrachtungsweise ist keine gewählte oder erlernte, er-meditierte oder sonstwas, sondern sie liegt einfach in der Luft. Natürlich wechseln die Befindlichkeiten, es ist immer wieder hitzig, intensiv und kocht allerlei Vasanas (Muster) sehr verspielt, subtil, unerwartet, geschickt hoch. Doch es ist eben alles spürbar aufgehoben in einem guten, alles durchdringenden Geist. Es ist nur eine Frage der Zeit und schon drehen sich die Befindlichkeiten auf unberechenbare, witzige Weise immer wieder um, jeweils umgeben von einer satten, unpersönlichen, tiefverwurzelten Zuversicht.
Wie steht es aber mit dem ersten Chakra und was Tiru-Fans vielleicht verbindet?
Mit Naima war es gestern ziemlich anstrengend, da sie einfach ihre Selbstbehauptung und ihr Wollen fortsetzt, auch wenn ich in dünnem Nervenkleid, etwas abwesend, in kurzen Abständen nur noch Flüssiges ausschied. Körperliche Reinigung, die vielleicht auch etwas an ein Thema und an ein Gespräch anknüpft. Ein Gespräch mit unserer Reisebegleitung aus Berlin, namens Manuela, die vorgestern hier angekommen ist. Ein Gespräch über Borreolose im Zusammenhang mit dem ersten Chakra und über das geistige „Leo“ in Tiru. Ein Gegenmittel für Borreolose ist die Karde, eine stachelige übergroße Distel. Sie steht für klar definierte Abgrenzung. Ohne Grenzen keine Einheit, ohne Unten kein Oben, ohne Nein kein Ja. Hier in Tiru schreibt sich das gar nicht so leicht, denn es ist so spürbar, dass die Nicht-dualität alles durchdringt. Dass vieles einfach nicht so wichtig ist, dass man es entspannt so sein lassen kann. - Doch sind das hier alles eben Worte, Worte die das innere Reptil gar nicht versteht. . Als ganzheitliche menschliche Erfahrung hier auf Erden ist es nicht vorgesehen, die Schlacht des inneren Raubtiers auszublenden, auch hier nicht. Wie ist es möglich, dass das innere Reptil hier so eigenartig befreit wird, so kraftvoll und doch segensreich eingebettet?
In Tiru am Fuße des Arunachalas kann ich bis dato nicht länger als ein paar Sekunden wütend, traurig oder depressiv sein, hier kann Wut, Traurigkeit und Depression aber gut gesehen werden. Die Herkunft wird klar und irgendwie liegt fast eine Freude darin, Wut, Traurigkeit und Depression verspielt auszuleben.
Ein innerer Anspruch bleibt immer noch bestehen, seit ich zum ersten Mal in Indien war (Die Essenz Indiens war seit 2006 dann für mich in Tiruvannamalai aufgehoben):Diese innere Erfahrung des Einsseins, des Nicht-Dualen in mein Leben nach Europa zu importieren. Lust und Frust, Macht und Ohnmacht dabei, und was uns Tiru-Fans im Umgang mit dem Westen vielleicht verbindet, das möchte ich in den nächsten Tagen hier skizzieren.
*Ramana war DER Weise, der hier bis Anfang der 1950iger Jahre lebte. Auf ihn berufen sich viele seine Nachfolger.
Dienstag 11.2. - Ständiges Köcheln einem gelösterem, ausgeglichenerem Zustand hinzu
Wie frei sich Naima hier bewegt! Wie sie mit Kindern spielt oder im Ramana Ashram die alten Inder bollywood-neckisch mit ihrem blauen Augen verzaubert. Hier kann sie die Prinzessin sein, die sie von Barbie eingeimpft bekommen hat. Hier brennt das Feuer der Existenz fast sichtbar und sprudelt all die inneren Qualitäten, Färbungen, Verkrümmungen bis zum Loslassen hoch, so dass sie sein können ohne dass irgendetwas daran anhaftet. Das Resultat: bedeutsame, einzigartige, wunderbare Unwichtigkeit – nicht zu verwechseln mit zynischer Gleichgültigkeit, die im besten Fall wohl eher etwas, gröberes Entspanntes hat. Auch abends, in Stille und beim Herumsitzen lodert es immer weiter, dies lebendige Feuer der Präsenz. Als hätte die Präsenz greifbare Gestalt.
Naima musste heute von einer Wandkante gestoppt werden. Ist nur ein blauer Fleck, aber leider halt ein notwendiger, der sie recht früh in die Nachtruhe schickt, nach soviel Tanz, Menschen, Eindrücken und Besserwissen. Ich hab eine Wasserflasche mit Arnica aufgeladen, doch sie schläft bereits tief. Unsere Rescue-tropfen wurden heute Früh auf halber Berganhöhe leider von Affen gestohlen.
Bei Touristen fällt der tägliche indische Existenzkampf weg. Auch wenn vielen Reisenden seit Jänner 2015 die Geldkarten für Asiens einfach ungefragt gesperrt wurden, können sie diese (recht !) einfach wieder telefonisch entsperren. Generell überleben sie gut. Sie müssen als Konsumierende auch nichts Besonderes umsetzen oder nichts Bestimmtes wollen, können sich ganz dem Sein hingeben. So privilegiert angereist, aber deswegen nicht unbedingt weniger gestresst, sind sie. Denn wir alle kiefeln an unserem Karma, an unser uns eingeschriebenen Natur:
- Flügge Suchende im Hexenkessel der Transformation. Mit der Vergrößerungslupe des Bewusstseins wird manches schneller wahrgenommen, es wirkt plötzlich als sehr viel, wenn es still wird. Stille verordnet zu noch mehr Stille. Meditation verordnet, ständiges Runterkommen verordnet. Runterkommen von so vielem alt Eingespeicherten. Runterkommen und Hinschauen zu den Kriegen unserer Ahnen. Gesegnet in einer Zeit der Aufarbeitung zu leben, bisher für mich ohne Krieg.
Zu meinem anspruchsvollen Import des indischen Einsseins nach Europa: Indien hat mich nie losgelassen, die Tiefe der Erfahrung seit 1993 hat mich manchmal glauben lassen etwas übermitteln zu müssen. Ja, noch eine schlimmere Beschäftigung und Ablenkung hat mir diese tiefe Lebensfreude beschert: Sie hat mich in eine unberührbare, angespannte Heldenrolle gedrängt. Es war mir eine große Lust (über)gewichtige Aufgaben auf mich zu nehmen. Doch des Helden Tod ist folgender Drache: Was nämlich, wenn der Held gar nicht als Held gesehen wird, wenn seine Herangehensweise weder verstanden noch gewollt wird ? Wenn erstmal mittelmäßige Sicherheit, oder Erfolg im Geld-laufrad die wichtigsten Werte sind, statt das Aufspüren der eigenen Dunkelheit ? - Nun Schicht für Schicht, Step by Step. Bei meinem Yogaunterricht rede ich kaum über Theoretisches. Dass in der Dunkelheit das größte innere Wachstumspotential steckt, das können gar nicht so viele nachvollziehen (du, liebe*r Leser*in schon, oder?) – für viele klingt es nur abschreckend, religiös oder sonst irgendwie verkorkst, ...wie man sich dann dem eigenen Unbewussten annähern mag, das steht jedoch in einem anderen Kapitel und wie stark das innere Intentionsfeuer und die Hingabe ist, seiner eigenen Natur treu zu bleiben, das steht wieder in einem ganz anderen Kapitel.
-In der Flamme des Bewusstseins verbrennt jegliche Trennung. Denn sie ist Illusion. Und doch bleibt uns keine Freude erspart: wir identifizieren uns, es ist gar keine niedrigere Ebene. Wir spielen, das Leben verlangt es von uns. Es als Spiel sehen zu können ohne dabei gleich das Leben zu verlieren, diese Komplexität gelingt der Liebe. Aufhebung von sich anziehenden Gegensätzen in eine höhere Komplexität, ständiges Köcheln einem gelösterem, ausgeglichenerem Zustand hinzu – die Liebe kann es.
Da fällt mir doch ein Ausblick in der Einleitung ein: Warum ich dann doch nicht Mönch wurde? Wie ich heute als Single, "Familie", Beziehungen und Gemeinschaft ganz undogmatisch immer noch als höchsten spirituellen Weg ansehe? - mehr davon in Kürze. - Es geht uns echt gut hier in Tiru.
Samstag 13.2. - Wieso also Beziehung statt Mönch sein?
Ich singe seit Tagen wieder beim Moped fahren. Sehr sehr süßliche Kokusnuss-Tage. Mit Sunrise-Smoothie unter Palmen. Naima und ich haben uns beide Künstlernamen zugelegt. Sie heißt Emily Erdbeer. Nein, sie heiße eigentlich zur Zeit wirklich so. Und wie heiße ich gerade? - "Blumenar" - Wer wissen will wie es dazu kam, der muss hier unten schon zumindest mal einen Kommentar hinterlassen.
- Etwas verschlossen und ernst, fast leblos wirken manche Menschen hier, die lange nur nach innen schauen. Doch ich traue meinen Pauschalurteilen und Diagnosen kaum mehr. Schnell sind ein paar Fakten (wie z.B. Zunahme vergewaltigten Touristinnen) mit einer sicheren Intuition vermischt zu einer kausalen Sichtweise zusammengereimt. Überall sind sie diese zusammengereimten Geschichten, die wie in Wellen herumerzählt immer mehr zur „Realität“ und so zur Handlungsgrundlage werden. Dialoge in Chai-shops, die doch immer mehr über die Erzähler erzählen, als über das bare Leben.
Gibt es eine größere, liebende Intelligenz hinter den Erscheinungen, die die Erscheinung selbst zur Illusion werden lassen kann? Jahrelang dachte und fühlte ich so, dass ich nur hinter den Schleier, also hinter die Erscheinungen kommen müsse, und dass das dann das „Aufwachen“ sei. Immer noch fühle ich den projezierten Dialog mit dem Unbekannten, mit dem Größeren. Doch fiel mir dabei gar nicht auf, was diese Sichtweise mit sich trug. Wie unbewusst dabei meine Favorisierung der „Nicht-Dualität“, des größeren Geistes, der angenommenen größeren Intelligenz war. Ich machte mich klein. Ich dachte die noch nicht eingetretene Einheit sei besser als die gefühlte Getrenntheit. Doch das war ja eben die Dualität und der Schmerz, die Sehnsucht, das ewig Religiöse. Diese positive Projektion auf was Größeres, sei es das Göttliche, das Geldsystem („die unsichtbare Hand des Marktes“), ein großes Projekt oder eine Partnerschaft bleibt eine unbewusste Opferhaltung, die Enttäuschung mit sich bringt. Letzlich ist doch eins gleich zwei. Und zwei ist gleich eins. Ein wunderschöner ewiger schleiernder Tanz unterschiedlicher Perspektiven. -
Vertiefung dieser Erkenntnis, dass weder Einheit noch Zweiheit zu bevorzugen sei, sondern dass diese Perspektiven ineinander pulsieren hin zu einer im Innen verankerten Erfahrung, das dachte ich, gelänge am besten über die Verletzlichkeit innerhalb einer sich vertiefenden Liebesbeziehung, nicht im Mönchssein. 2003 hatte schon alle Kontakte, um zumindest für ein halbes Jahr Waldmönch in Asien zu werden. Doch eine innere Stimme und eine Begegnung sagten mir, dass Beziehungen und das Leben selbst der effizienteste und schwierigste Weg sei. Es sollte aber noch länger dauern und es war dann wohl die sturste, anstrengenste, schmerzlichste und zugleich wirklich transformierenste Kraftanstrengung bis ich wirklich durch Beziehungen zu einem etwas authentischeren inneren Frieden gelangen konnte.
Den unbewussten inneren Schmerz aufdecken, ihn sein lassen statt ihn abzuwehren und so authentischen inneren Frieden erlangen, das würde wohl ein Mönch nicht anders sehen. „Nichts mehr wollen“, das kann man natürlich nicht wollen. Das kann einem nur passieren oder das kann man sich vormachen, dass es einem passiert sei. Auch sehr schmerzlich. Der wirkliche innere Schmelzprozess hin zu innerer Ausgeglichenheit und Lebensfreude passiert hier am Fuße des Arunachalas ständig, von selbst, als Mönch, mit oder ohne Beziehungen.
"wenn die sinnlosigkeit des relativen lebens mal angefangen hat dich zu vernaschen, dann hast du keine chance mehr. jeder versuch dann noch sinn im relativen leben zu finden tut nur höllisch weh." Karl Renz sinngemäß zitiert aus einem Interview mit Teresa Arrieta
„Nichts mehr wollen, im Frieden mit allem sein“. Das ist sowohl für die Wirtschaft als auch für die westliche Ethik eher nihilistisch, nicht produktiv und auch nicht sehr beziehungs-kreativ. Doch es handelt sich dabei nur um ein sprachliches Missverständnis, das aufgrund des Fehlens einer innerer Erfahrung entsteht. Nichts mehr zu wollen und in einer natürlichen, entspannten Verbindung zu sein mit allem, was ist, das kann ein sehr kreativer und auch produktiver Zustand sein. (Auch wenn letztlich die Resultate, die durch diesen Zustand erzielt werden sekundär sind.) - Halt, ich hab den Verdacht, dass die Menschen, die mich hier lesen, das entweder ohnedies wissen oder aber ihre handfesten Zweifeln mit dieser Schreibe haben. Darum:
Wie wäre es mit handfesterer Psychologie statt mit Meditation? - Wieso also Beziehung statt Mönch sein?
Am Punkt gebracht: Es geht in der Welt der Erscheinungen (also unserer handfesten Sinnes-Realität) immer um Liebe, um anerkennen und Anerkennung oder um einen Schrei danach. Sehr viele kennen diesbezüglich wohl folgende Erfahrungsbogen: Alles mit jemanden teilen können bis gar nichts mehr teilen, austauschen können mit diesem jemanden. Communication Breakdown.
Was ich am Mönchsweg zu vermissen glaubte: Es ist eben ein Geschenk von partnerschaftlichen Liebesbeziehungen, wenn diese Verletzlichtkeit des inneren Stolzes, das ständige Angetriggertsein des inneren Kindes dazu führt, dass uralte Verhaltensmuster und Projektionen erkannt und somit nicht mehr mit voller Kraft ausgelebt werden. Abnehmender Lebens-Intensität? Nein,im Gegenteil: Der Blick fürs Wunder wird immer größer. Statt noch mehr Krieg zwischen den Geschlechtern ist so persönliche Entwicklung „zum Unpersönlichen“ hin möglich. Dann nährt sich das nur Trennung behauptende Muster nicht. Es kann nicht bestehen bleiben.
Diesen Weg manchmal gemeinsam gehen zu können, das sind segensreiche Momente, die natürlich auch im Erfolg wiederum neue Angriffsflächen für verwirrte Projektionen bilden. Die wirklich wichtigen Schritte muss man wohl alleine machen oder in Versenkung über sich ergießen lassen. Die eindeutige Überschrift des heutigen Eintrages verliert daher ihre Eindeutigkeit. Das Leben im Alltag meiner Beziehungen bleibt der Reality-Check für mich. Für weiter Interessierte empfehlen wir uns ...und Arjuna Ardagh.(Youtube) ... Vielleicht bald mehr.
Sonntag 15.2 Kunst aus Tiru
Vielleicht kennst du diese heilsamen Bilder von Martina Höss? Durch Martina kam ich 2006 in Kontakt mit Ramana. Martina nahm mich auch an der Hand und führte mich zum ersten Mal nach zum Arunachala. Tiru ist jedenfalls auch ein Platz der Kunst, des Bakthis, des Ausdrucks in Ritualen und Kunstwerken. Konzerte, Ausstellungen, jedenfalls ein inspirierender Ort für viele. Am Sonntag gibt´s öfter einen Kunstbazar in "Ranis Garden".
In Bayern traf ich einen Künstler, der sehr lange hier am Fuße des Berges Arunachals gelebt hat und folgendes Gedicht hier verfasste.
"Auf der Suche - von Werner Shazada
Ich suchte die Wahrheit und wollte sie fassen
doch etwas in mir konnte nicht lassen -
zu glauben, dass ich was besseres SEI
und dieser Irrtum war wie ein Brei.
Ein Brei – der mein Herz im Innern verbarg
ich fühlte mich lange wie in einem Sarg.
Nur manchmal konnte ich das Licht kurz sehen
und versuchte ganz wild – alles zu verstehen -
Doch kurze Zeit später war ich wieder allein,
und quälte mich in noch größerer Pein.
Was ist nur geschehen, wo ist sie die Liebe?
Ich war schon wieder ein Sklave meiner Triebe.
Ich wollte für mich in Freiheit sein,
und vergaß ein Diener der Liebe zu sein.
Die Liebe strahlt ganz sonnenklar
und zeigt mir wie es immer war.
Ich kann sie nicht ändern, mich ihr nur ergeben,
und plötzlich erwacht alles zum Leben.
Was eben noch außen und fremd mir war
berührt mein Herz und mir wird klar:
Ein Wunder ist es am Leben zu SEIN
und darum kann ich dankbar SEIN.
Es war mir vertraut über alles zu richten,
so konnte der Schleier sich einfach nicht lichten.
Ich wusste ständig über alles Bescheid
und musste deshalb ertragen viel Leid.
Nur manchmal wird es mir plötzlich klar,
dass meine Rechthaberei die Ursache des Leidens war.
Ein Moment der Stille öffnet mein Herz
und all der Unsinn wird einfach zum Scherz.
Ich bin ganz verdutzt und fang an zu lachen:
Wie konnt ich mich nur so zum Narren machen?
Die Freude erwacht – es ist ein Genuss -
Ich gebe im Innern allen einen Kuss.
Ich kann es kaum fassen – es ist eine Wonne -
Der Irrtum schmilzt in dieser Sonne.
Die Wahrheit strahlt ganz sonnenklar
und zeigt mir wie es immer war.
Ich kann sie nicht ändern, mich ihr nur ergeben
und plötzlich erwacht alles zum Leben.
Was eben noch außen und fremd mir war,
berührt mein Herz und mir wird klar:
Ein Segen ist es am Leben zu sein
und darum kann ich in Frieden sein!
Die Zeit ist reif, wir müssen es wagen
im Innern die heiligen Kräfte zu tragen.
Nur die Liebe kann uns wahrhaftig segnen
und in der Wüste wird es regnen.
Blumen der Liebe, blühn dann auf allen Wegen
und das ist wahrhaftig der größte Segen.
Wir glauben oft einsam und hilflos zu sein,
doch das bilden wir uns einfach nur ein.
Wir sind EINE Seele, das siehst du doch ein -
oder glaubst du noch immer alleine zu sein?
Der Hang zum Alten ist noch sehr groß,
drum gib deinem Herzen einen kleinen Stoß -
Nur die Liebe kann uns vom Irrtum befreien,
drum sollten wir dienen und dankbar sein.
Die Liebe strahlt ganz sonnenklar,
und zeigt uns wie es immer war.
Wir können sie nicht ändern uns ihr nur ergeben,
und dann erwacht alles - zu neuem Leben.
Was eben noch außen und fremd uns war
berührt unsre Seele und uns wird klar:
Die Einheit regiert unser ganzes SEIN
und darum können wir Liebe SEIN."
Sonntag, 22.2. Abschied
In ein schläfriges Delirium versetzende heiße Mittage. Es gibt also noch mehr gar nichts zu sagen. Ich könnte gut und gern hier bleiben, doch Naima hat in Österreich ihre Mama, ihren Kindergarten, ihr zu Hause. Gute Gründe zurückzufliegen. Dass manche meiner Themen in diesem Feld und der Tradition Ramanas, dem Advaita oder der Selbst-befragung (fußnote: Die Frage „Wer bin ich?“ löst dabei sukzessive alle Gedanken auf. Unterstützt von dieser hochschwingenden, fast flüssigen Realität hier, die in mir keine Überzeugung lange wehren lässt.) vielleicht nicht gelöst werden, da sie relativ leicht, mit einem knöchern nach innen gerichteten, unbewussten und kreativ-flexiblen mind umgangen werden können, das stört mich gerade nicht. Nicht mal mehr bei anderen stört mich das. Manchmal.
Ich bin angekommen hier, und in Kürze geht es wieder zurück in den Winter. Das paradoxe Mysterium der Lebendigkeit zeigt sich in vielen Begegnungen. Freuden, Erwartungen, Enttäuschungen, in lebendiger Stille. Dankbarkeit erfüllt mich. Dankbar auch für die intensive Zeit mit meiner wunderbaren Tochter. Ans Meer kommen wir nicht mehr (denn aus dem heißen, staubigen Tiru kommt man so leicht nicht raus), stattdessen darf sie im Mai nach Kroatien mitfahren. Sie wird so vieles nicht vergessen, was sie hier zum ersten Mal sah. Manches war auch für mich neu: Z.B. eine lebendige, verehrte Kuh mit einem Extra-Fuß am Rücken. Als Teil eines wandelnden Minizirkus´.
Ich wünsche uns eine gute Heimreise nach Österreich.
Herzensfrieden dir, liebe*r Leser*in, Sascha-Kassi
3) Wir haben keine Wahl, darum “Erschaffe deine Welt ?!”
(eine vorläufige Skizze)
Im Zuge einer Podcast Vorbereitung wurde mir wieder klar, wie hochgradig unterschiedliche Botschaften bezüglich allgemeiner innerer Wahrheiten im Internet kursieren. Da sind sich wahrscheinlich Handwerker etwas einiger untereinander, als es sich Spiri-Influencer, Philosophen und Gurus sind. Aus der Perspektive des verkörperten So-Seins haben sie jedoch zumindest für mich allesamt Relevanz.
Allerdings: Die Influencer:innen konzentrieren sich dabei oft auf einen wichtigen Teilaspekt und ignorieren den Rest. Das irritiert mich, es “erhebt” mich auf eine Weise und ich meine, es erzeugt teilweise auch inneres Chaos und Misstrauen in andere, dort, wo wir uns Führung und Klarheit erwarten könnten. Egal ob im „Kursbuch in Wundern“, ob bei Meditationslehrer:innen, bei Schaman:innen oder Psychotherapeut:innen, ihr habt mir bisher alle immer nur einen Teil zu sagen gehabt. Wie hab ich mir dabei den mir passenden, angenehmen oder wahrhaftigen Teil heraushören können?
Darauf möchte ich mit diesen Zeilen eingehen. Eines sei vorweggeschickt: Immer empfinde ich diese unterschiedlichsten und widersprüchigsten Botschaften als gut gemeint. Das zählt, auf das kommt es letztlich doch an, meine ich.
Wie komme ich also zu einer wahrhaft freien Perspektive auf diese Welt, inner- und außerhalb von mir?
Mein arrogant angehauchtes Lieblingsthema heißt ja „Manifestiere dein Leben!“ – ein Titel, der innerhalb des Verstandes einer Gott:innen-Ergebenheit fast wie ein plasphemisches Buh-Wort gegenüber steht. Ich möchte ein ganz konkretes Beispiel herausgreifen, welches heute meine Schreibfeder auf den Plan ruft:
„Du kannst frei wählen! Es liegt an dir, erkenne diesen Spielraum!“
so sagen es sinngemäß zumindest immer wieder einige aktuelle Influencer:innen der spirituell esoterischen Szene. Ich möchte ergänzen: Du kannst dann frei wählen, wenn es dir gerade möglich ist (du gerade keine Panikattacke hast oder „frozen“ bist). Doch sogar außerhalb des Trigger-States ist die freie Wahl eine Illusion, an die du hier zeitweise glauben musst oder musstest. Trotz all dem ZÄHLT natürlich deine individuelle Intentionskraft, deine Haltung und dein feuriges Streben nach mehr inneren und äußeren Spielraum im höchsten Maß. Ja, ich halte ich dieses innere Feuer auch wieder nur für leidbedingt, gesteuert durch deine Konditionierung. Bevor du dich aber jetzt verarscht fühlst, hab bitte noch etwas Geduld. Ich spreche hier von zumindest drei Ebenen, die alle drei gleichzeitig und ineinander verwoben stattfinden. Ein flexibler Geist lernt sie zu unterscheiden und innerhalb ihrer zu wechseln.
Warum es Sinn macht, sich diesen drei konzeptionellen Ebenen bewusst zu werden und sich nicht allein nur auf eine der drei Ebenen zu konzentrieren, das erkläre ich in Folge. Ich lege mir dieses Konzept gerade erst zurecht, es ist nur Ausdruck meiner Sicht der Dinge, so wie ich sie mir eben mit Sprache erringen kann: Erstmal seien aber die drei Wahrnehmungsebenen vorgestellt, die allein für das Denken widersprüchig sind. Die auch nur eine Denk-krücke sein können. Wie gesagt nur ein vielleicht hilfreiches Konzept für dein inneres Navi. Diese drei Ebenen zu unterschieden gelingt einer Künstlichen Intelligenz vielleicht gar nicht mal so schnell. Menschen gelingt die Unterscheidung allein durch tiefgreifende Meditations-/ Erwachungserfahrungen, möglicherweise durch Nahtod-erfahrungen, Rückführungen, Holotropem Atmen, Pflanzenmedizin … und was es nicht alles noch so an Einsichtswerkzeug gibt. Überzeugt bin ich davon, dass es regelmäßige Vertiefung und Kontemplation in einem stabil gehaltenen Energie-Feld braucht, um unterscheiden zu lernen. Diese Unterscheidungsmöglichkeiten und die Relevanz dieser Untscheidung (sie verhindert u.a. Machtmissbrauch und Selbstzweifel, mehr dazu unten) kommen derart, so viel ich weiß, bisher noch nicht im Curriculum des staatlichen Schul- und Universitätenbetriebes vor, oder doch? Wenn doch, dann lasst es mich bitte gleich wissen.
Die drei Ebenen also:
1.) „Bevor du entscheidest, den kleinen Finger zu bewegen, musste das Größere es schon längst so entschieden haben.“ Diese Tatsache kann ich biologisch / neurologisch erklären, oder auch spirituell erfahren. Diese Tatsache kann uns immer wieder aufs Neue wachsam machen für die Größe dieses Moments und für die Beschränktheit unseres kleinen Ichs. Diese Tatsache kann genauso auch überwältigend sein, doch wenn sie sich einmal zutiefst in dir verkörpert, dich völlig als eine innere Erfahrung erreicht, dann „weißt du“. Es lächelt und hellt etwas in dir auf, das so schnell nicht mehr aufhört zu lächeln.Jede übrige Identifikation mit dem Ich kann so Schicht für Schicht entkräftet werden. Hier enden viele Weisheitslehren.
2.) Die biologische Reaktion am Überlebensweg. Die tieferliegende Traumatisierung. Ohne diese wahrhaftige Ebene Nummer 2 gäbe es keine Evolution und keine Wiederherstellung biologischer Sicherheit. Sicherheit ist die Basis jeglicher innerer und äußere Ausdehnung und Entwicklung. Seit Jahrtausenden wechseln wir zwischen Alarmierung, Aktivierung, Ohnmacht, Regulation, Leichtsinn und anderen brenzligen Zuständen. Das ist wunderbar so. Manchmal ergibt sich entweder mal ein Auszittern oder ein Verstecken und Vermeiden des Traumas. Vieles haben wir gut im Körper verstaut und unser Leben darum herum konstruiert. Kannst du dich diesbezüglich gerade wahrnehmen?
Ist da gerade eine Art von Verdrängen, ein Ablenken oder ein Aushalten können (Containment) in dir?
In dir allein, in deiner Körper(!)achtsamkeit trägst du Antwort auf diese Frage in dir. Dafür braucht es Zeit, Raum und etwas Durchhaltevermögen, vielleicht auch Selbstdisziplin und humorvolle Gelassenheit. Das österreichische „Passt eh alles!“ als derbe Form der Ebene 1 kommt der Quelle allen Seins selten auf die Spur. In dieses Feld des Traumas spielt der große Bereich der Sedierung, Beruhigung, Narkotisierung und der Sucht. Und das schon lange bevor dieser Bereich von der Pharmaindustrie für sich beansprucht wurde. Auch lange vor den patriachalen Religionen, oder spirituellen Institutionen.
Ist die raumgebende Instanz des inneren Beobachters ausreichend trainiert, hast du möglicherweise schon genug innere Freiheit, um von Bardos (im „Tibetischem Totenbuch“) und von den „dunklen Nächten der Seele“ (Johannes vom Kreuz) zu sprechen, ohne dabei auf leidvolle Weise immer wieder aufs Neue in Dissoziierungen verloren zu gehen. Anmerkung: Ursprünglich ist es nur eine(!) „dunkle Nacht der Seele“ – Der Plural „Nächte“ stammt hier von mir.
Ob du dich gerade sicher oder unsicher im Körper fühlst, ob du dich mit deinem Körper verbunden fühlst oder doch eher zittrig aktiviert bist, das weißt auch wiederum nur du allein. Die Verantwortung deine Sinne zu dir zurück zu nehmen, das ist von großer Tragweite. Es führt uns zu:
3.) Das individuelle Ich, deine bewusste Postionierung bzw. deine Reaktivität innerhalb des Spiels der Polaritäten. Das ist die Wahrnehmungsebene der Ausrichtung, Identifikation, Zuwendung und Intention. Am besten aus einem, als reflektiert und entspannt wahrgenommen Geist heraus. Ebene 1 lässt grüßen, sie entspannt wunderbar. Dein Ich hat bei Punkt 3 die Autorität. – Hier liegt der größte wahrgenommene Spielraum, v.a. dann, wenn dabei die Ebene zwei, wie auch die Ebene eins immer mehr mit hinein genommen werden können. Ebene eins und zwei unterliegen meiner Erfahrung nach einem spannenden Wechselspiel: Je zurückgelehnt sicherer du dich hier im Leben und in der Einheit fühlst (Ebene 1), desto eher werden eigene und kollektive Traumata (Ebene 2) in dein Bewusstsein drängen können. Desto weniger und desto kürzer musst du dich schützen und verdrängen. Was nicht heißen sollen, das Traumata sich dann etwa gut anfühlen, doch eine weise Instanz in dir kann sie mit der Zeit immer besser „reiten“ lernen. Etwas in dir weiß dann zutiefst, dass – wenn die Traumata erstmal verarbeitet und versorgt sind, das zu mehr innerer Freiheit und Boden führen wird. Auch wenn darunter nochmals etwas auf dich wartet. Auf dieser Ebene der Ich-Identifikation sprechen wir auch gern von Verantwortung und Schuld, von Erfolg und Versagen. Um da allerdings nicht hängen zu bleiben oder sich unnötig den Blick durch dein Ego zu verstellen, empfehle ich die innere Einkehr zurück zur Quelle deiner Gedanken. Z.B. durch So-Sein Yoga.
Der Vorteil dieses Unterscheidungsvermögens zwischen drei Ebenen liegt im angstfreien und herrschaftsfreien Flow:
Wenn mensch so wie ich viele Jahre begeistert von Heiligen Biografien war, dann war jede innere Trauma-Aktivierung in mir schnell einmal zu einem „Portal des höheren Bewusstseins“ oder zu Initiationen erhoben. Dann konnten triggernde Machtspiele, z.B. von überforderten Gurus (“Vater-Angelegenheiten”) oder von Flirts und sexuellen Beziehungen (“Mutter-Angelegenheiten”) mich zu noch tieferem intimeren Kontakt zu mir selbst führen … oder aber doch immer wieder auch zur kultivierten, nach Außen wenig auffälligen Dissoziierung, Abspaltungen und Fluchtwegen in die Einsamkeit? Irgendwann gewöhnen wir uns ja an innere Unfreiheiten und nennen es einfach „die Normalität“. („Ist halt einfach so! Ja, passt eh!“) Dass sich in der westlichen Welt alles immer mehr um Versicherungshaftungen und kompetenten Verantwortlichkeiten dreht, das verstärkte in meinen jungen Jahren die rebellische Abenteuerlust vorauszuschreiten in ein waghalsiges, abenteuerlustiges Nichtwissen hinein. „Into the Wild“ War das jedoch in Wirklichkeit nur meine Strategie einer Flucht nach vorne, um tieferliegende Traumatsierung nicht zu nah zu kommen? – Ich kam im Laufe der Jahre und komme der Antwort in vielerlei Hinsicht näher. Die innere Pendelschnur zwischen den Extremen wird kürzer. Mein Leben aber deswegen nicht lauwarmer, sondern spannender und liebevoller zugleich.
Die Ebenen wirken, wie ich hoffentlich aufzeigen konnte immer gleichzeitig und in Wechselwirkung aufeinander ein. Warum es also Sinn macht, sich diesen drei konzeptionellen Ebenen bewusst zu werden und sich nicht allein nur auf eine der drei Ebenen zu konzentrieren, das hoffe ich hiermit verdeutlicht zu haben.
Eine Überlegung bleibe ich dir aber abschließend noch „schuldig“:
Diese Unterscheidungsmöglichkeiten zwischen den drei Ebenen und die Relevanz dieser Untscheidung verhindert u.a. Machtmissbrauch und Selbstzweifel, da sie zu allererst einmal annimmt, dass mit dir und deiner Natur viel viel mehr in Ordnung ist, als du es jemals denken konntest bzw. als deine Umgebung es dir weiß machen wollte und konnte. Nur was du wirklich annimmst und es wirklich so bleiben lässt, wie es gerade ist, das eröffnet dir auch eine größere Weisheit, die sich immer leicht und frei anfühlt, sie kommt ohne Appell aus. Jegliche religiöse und weltliche Macht ist danach bestrebt, diese emanzipatorische Bewegung in eine innere Freiheit hinein zu verhindern. Ein großteils angstfreies, autonomes, sich selbst bejahendes Menschenwesen kann von Außen schwer manipuliert werden. Weder mit Werbung, noch mit Nachrichten oder anderen Verordnungen. Ein solch sich befreiendes Menschenwesen wechselt flexibel zwischen den Ebenen ohne sich dabei zu verurteilen. Im Gegenteil die Dankbarkeit für das Wunder Leben nimmt dabei zu. Insofern ist diese deine eigene Unterscheidungsfähigkeit natürlich auch relevant für ein freudvolles, stärkendes Miteinander. Was meinst du dazu? Die zivilgesellschaftliche Kreisstärke braucht zwar unterschiedliche Kompetenzen und Verantwortlichkeiten, aber keinen einzige:n Anführer:in mehr. Der nächste Buddha ist eine Gemeinschaft, … der übernächste eine geläuterte (Zivil)Gesellschaft.
Sascha Tscherni im April 2023
4) Zu Yama- dem ersten Glied des achtfachen Yogapfades. Heute: „Wirtschaften“
Heute zum Thema „Wirtschaften“ – denn auch das gehört zum Yoga. Es spiegelt die Selbsterfahrung innerhalb des sozialen Geflechts wieder. In der Yoga-Tradition könnte man für “Rechtes Wirtschaften” die Begriffe “Aparigraha” (Nicht-Zugreifen) bzw. auch “Asteya” (Nicht-Diebstahl) als Teilaspekte von Yama (ethisches Verhalten), nennen. Ich freue mich über deinen Kommentar im Anschluss dieser Zeilen. Schreib mir, wie DU das siehst. Das hier geht über eine Philosophieren zur Moralität hinaus, hinein in die überlebens-notwendige Transformation gesellschaftlicher Rahmenbedingungen.
Ich habe mir das Zukunftsdossier des österreichischen Lebensministeriums “Alternative Wirtschafts- und Gesellschaftsmodelle“ ein wenig angesehen und frage nun auch dich um Rat. Mein vielleicht „zu gerades“, radikales, traditionell yogisches Denken war nämlich schon beim Inhaltsverzeichnis dieses Dossiers irrtiert. Mir fehlt da etwas ganz Wichtiges. Warum steht da nichts Strukturelles über Geld an sich?
Wenn ich glaube, etwas zu den sozialen Entwicklungen dieser letzten Jahre verstanden zu haben, dann ist es das, dass alle unsere Staatsschulden täglich steigen MÜSSEN (auch die privaten, wenn wir uns an Kredite binden.) -Dann ist es das, dass jegliches Umverteilen, Sparen, Bankenaufsicht oder Besteuern nur eine ablenkende, kurzfristige Symptombekämpfung sein kann. Wir müssen nämlich täglich viel mehr an Geld zurückzahlen als bei der Giralgeldschöpfung überhaupt an Geld gedruckt wird. Sprich wir sind allesamt immer mehr im Mangel, wenn wir Geld in die Hand nehmen. Und dabei meine ich nicht den psychologischen Projektionsmechanismus „Mangel“, den das Geld natürlich auch ermöglicht, sondern etwas strukturell Gegebenes. Der kapitalistische Konkurrenzkampf steigt doch solange an bis wir uns gegenseitig die Köpfe einschlagen und alles kaputt ist. Alles andere wäre Schönrednerei, zumindest nach meinem bisherigen Verständnis unseres Geldsystems.
In den letzten Jahren habe ich gelernt zu akzeptieren, dass es anscheinend zu den gesellschaftlichen Spielregeln gehört, die Wurzel des Problems im öffentlichen Diskurs zu verdrängen, anscheinend auch aus schmerzlichen Gründen die in unserer gemeinsamen Vergangenheit liegen. Ein System, das vor langer Zeit durch die Gier der Menschen auf Schiene gebracht wurde und jetzt exponentiell alles systematisch zerstört, soll anscheinend noch nicht in seiner ganzen Tragweite verstanden werden. Ich habe auch gelernt, dass die meisten Menschen Geld als ein herkömmliches Tauschsystem sehen, so als würden sie einfach mit Perlen tauschen. Den Rest überlassen sie den Experten und meinen, das dass alles viel zu komplex sei, um es wirklich verstehen zu können ohne Experte zu sein. Wirtschaftskrisen gehören einfach naturgemäß dazu, meinen sie. Die wenigen Mutigen jedoch, die dieses Wurzelproblem vieler anderer Probleme immer wieder ansprechen und darüber aufklären, versucht man einfach zu “Antisemiten” zu machen. Das scheint die sichere Allround Abwehr dieses großen Tabubruchs der Nachkriegsgenerationen zu sein. Nur EIN Beispiel: Der Versuch der Entmündigung von Bernd Senf. Gleich zu Beginn in einem seiner Vorträge spricht er darüber.
Ich finde das Zukunftsdossier “Alternative Wirtschafts- und Gesellschaftsmodelle“ des Lebensministeriums wichtig und verständlich. Bestehende Konsum- und Produktionsweisen zu kritisieren, den Wachstumszwang als Teil des Problems zu erkennen und Lösungswege zu zeigen, dabei jedoch aber nicht über das derzeitige Geldsystem zu sprechen, macht mir ein übles Gefühl im Bauch und lässt mich die und den Leser*in fragen:
Muss man mit konstruktive Kritik leise und vorsichtig daher kommen ? Muss man erstmal in der Sprache des etablierten Systems sprechen, um überhaupt Gehör zu finden ? Macht es erst dann Sinn die wahre Krux bzw. ein Tabu anzusprechen, wenn man sich lang genug mit der Symptombehandlung auseinandergesetzt hat ?
Kommt die tiefere Wahrheit immer erst am Ende einer Zivilisation heraus, kurz bevor diese zusammenbricht ? Wäre es einfach dzt. noch zu fatalistisch zu erkennen, dass dem Akt der Geldschöpfung selbst ein Versklavungs- und Zerstörungsmechanismus innewohnt ?
Irre ich mich und du die Erklärungen über Giralgeldschöpfungen im Internet stimmen einfach nicht bzw. sind zu sehr vereinfacht ? Das alles ist gar nicht so „vital viral“, wie von mir angenommen ?
Vielen Dank für deine Kommentare,
Sascha Tscherni
P.S.: In der So-Sein.at Event-Reihe “Mach mich still-Gemeinsam in die Stille” werden wir uns am diesjährigen Krampustag (5.12.2013) auch über das Thema “Geld” zu einer echten lebendigen Stille hin sinken lassen. Hier der Ausschreibungstext, den du auch auf Facebook finden kannst. Anmeldung via Facebook oder direkt bei mir.
Was verdienst du?
Wir meinen damit wieviel Geld du bekommst ?
..oder wie viel du wirklich gerechtermaßen VERDIENST ?
Da in diesen Jahren unser aller stärkstes Potential, unsere Kraftquelle oder Resource in unserem SCHATTEN steckt, möchte ich mich einem kollektiven Haupt-schatten emotional annähern:
der absolute Unbewusstheit und der folgenreiche strukturelle Gewalt hinter dem schlichten Ausdruck „Geld verdienen“.
-Wie viel ist uns unsere Mühe und Zeit Wert ?
-Wie viel sind wir uns selbst Wert ?
-Wie wirkt sich die Tatsache auf mein Leben aus, dass einer 19000 Dollar in der Stunde verdient, die andere 1-2 Euro am Tag ?
-Was macht es mit mir, dass Frauen um so vieles weniger „verdienen“ als Männer ?
Besonders bei gesellschaftlichen Themen mache ich immer wieder die Erfahrung, dass Menschen Kritik und Thematisierung überhaupt nur dann hören wollen, wenn man mit schon fertig ausgearbeiteten, am besten gleich lang erprobten professionellen Lösungen aufwartet. Das ist wohl ein natürlicher Verdrängungsmechanismus: Wir wehren den Schmerz ab mit „Na dann mach´s du doch besser!“
– Es gibt freilich genügend Lösungsmodelle, doch VOR einer geerdeten integrierte Lösung, steht das Anerkennen des Schmerzes. Diese Art der Bewusstwerdung wollen wir an diesem Abend eine Chance geben.
Wie ? Wir werden mit Aufstellungsarbeit einerseits “eklatant arm” (ver-dient kaum was) und “reich” (ver-dient so viel) gegenüberstellen und hinspüren, es so-sein lassen, in Stille spüren, neue Verbindung aufkommen lassen.
Diesmal soll im Sinne eines Hosts- und Organisationbeitrages für dich die Möglichkeit eines Energieaustausches geben: 7 Euro oder mehr sind willkommen.
Allgemeines zur “Mach mich still!” gibts hier zu lesen: https://so-sein.at/wp/machmichstill/
5) Wut tut gut! – Wut macht uns Angst.
Warum tut Wut so gut? …Theorie zum Männerwochende “Der genährte Krieger”.
Kurz: Weil die Wut evtl. die alte Sicherheit wieder herstellen kann, weil sie eine innere Not mir und anderen möglicherweise wieder hörbar bzw. erahnbar macht. Weil sie zumindest ein nachträglicher eigenständiger Schritt in Richtung echter Kommunikation sein kann. Ist das so?
Warum macht uns die Wut so Angst?
Weil sie uns an unsere eigene unterdrückte oder unbewusste Wut und unseren Schmerz erinnert (…und weil wenn sie wirklich unbewusst ausgedrückt auch destruktiv sein kann).
Alle unsere Probleme können auf frühkindliche Bindungstraumata zurückgeführt werden.
Diese Traumata entstanden in einer Zeit als unser Präfrontaler Cortex (also unser Vergleichen, Erinnern, unsere Ideenwelt, unser Sprechen etc.) noch nicht ausgebildet waren, wir also völlig im Jetzt lebten … aus den ersten zwei Jahren unseres Lebens (plus den vorgeburtlichen Monaten unseres Daseins).
Wenn in dieser frühen Zeit deines Lebens z.B. aus einem völlig banalen Grund ein Elternteil nicht gleich auf dein Schreien reagieren konnte (weil vielleicht gerade Staubsaugen oder am Klo etc.), dann durchlebtest du eine Todesangst. Eine Traumaaktivierung, die sich direkt mit unserem ANS (autonomen Nervensystem) verschaltete. Du wurdest in Folge förmlich zu dieser Aktivierung, zu dieser Unsicherheit. Auch wenn Engel oder andere Ressourcen des kleinen Menschenkörpers anwesend waren, prägte sich diese kleine biologische Abwesenheit des Elternteils und die daraus folgende physische Not in dein Nervensystem ein. Es passierte vielleicht öfter in dieser Zeit und es entstand etwas wie eine neuronale Autobahn der Aktivierung. Völlig unabhängig davon, was wir später darüber DENKEN oder das Elternteil sich darüber dachte, …das es wahrscheinlich eh nur gut meinte oder es einfach gar nicht bemerkte. “Ist ja nicht wirklich was passiert, wir waren ja da!”
Es geht mir hier nicht um Schuld oder Verantwortung der Eltern, sondern allein um die Bewusstwerdung eines doch recht subtilen physischen Mechanismus.
Jedes unerwiderte Schreien lässt Adrenalin aufbauen. Wir befinden uns in Todesangst, wir kippen aus der Sicherheit, nach welcher unsere Biologie von Natur aus schreit. Gehört und beantwortet zu werden ist absolut lebensnotwendig. Da aber Wut kollektiv tabusiert wird – Die meisten würden vielleicht sagen, weil sie so destruktiv ist. NEIN, weil sie uns primär an unsere EIGENE unterdrückte Wut erinnert – lernen wir sie zu unterdrücken. In Wirklichkeit ist die Wut und der Zorn jedoch wieder die Möglichkeit, dort anzuknüpfen, wo wir unsere Lebenskraft einmal gekappt haben, weil wir mit unserem Körper lernten, dass wir wirkungslos sind, dass wir einfach nicht gehört werden. Achtung: Diese Not ist kein Gedanke des Kindes, keine Idee, kein Glaubenssatz (den man schnell mal ändert), sondern eine rein KÖRPERLICHE Erfahrung aus der prä-verbalen / prä-kortikalen Zeit unseres Menschseins. –
In der Folge unseres Lebens entstehen durch diese unbearbeiteten biologischen Referenzpunkte immer wieder neue Re-traumatisierungen, bzw. Trauma-Aktivierungen. Wir wiederholen einprägende, traumatisierende Erfahrungen so lange, bis wir bewusst wahrnehmen können, was da denn eigentlich jetzt heilsam für das ganze Wesen wäre. Bis dieser aktivierte Teil gesehen und beantwortet werden kann. Die “Living Forward” (Begriff von E. Gendelin) Kraft des Lebens strebt aus sich heraus nach Bewusstwerdung. Auch die sogenannten dunklen Energien, “die stets das Böse wollen, und doch das Gute schaffen” (Goethes Faust), schaffen “das Gute” durch immer nur noch mehr Transparenzwerdung / Aufmerksamkeit. Ganz gemäß unserem gesellschaftlichen Zeitgeist, wo in den letzten Jahren durch kritische, beharrliche und bewusste Kräfte so viele unmenschliche Unterdrückungsmechanismen aufgedeckt werden.
Bei jeder (Re-)traumatisierung entsteht immer wieder sehr viel Adrenalin. Wird dieses Adrenalin körperlich ausgezittert oder sogar physisch ausgekämpft, landet der Körper in einer neuen Sicherheit. Denn nicht das traumatische Ereignis selbst ist das Problem, sondern die Unmöglichkeit es auszuzittern, es zu regulieren bzw. dich wieder zu regenerieren. Vielleicht kennst du Ilan Stephanis Schüttel-Videos (klick) dazu?
Die Regeneration mit Hilfe des parasympathischen Vagusnervs kann jederzeit einsetzen. Ist aber für unser Denken „eh nichts passiert!” und gibt es also gar keinen Grund wütend oder verschreckt zu sein (“Reg dich nicht so auf!”), es gibt ja gar keinen sichtbaren äußeren Todeskampf, dann verdrängen wir die Wut gern und gut und das erzeugte Adrenalin kann nicht immer abgebaut werden. Dieses nicht abgebaute Adrenalin einer Daueraktivierung (serielle Traumatisierung) führt übrigens auch physiologisch zu Entzündungen im Körper. Alle unsere Probleme können anscheinend auf frühkindliche Bindungstraumata zurückgeführt werden. Zumindest können wir mit dieser Sichtweise effizient an einem wieder Ganz-werden arbeiten.
Um die innere Ladung nicht mit Gedanken zu relativieren, ist es auch so wichtig unterscheiden zu lernen, was ein Gedanke ist und was das darunterliegende Gefühl ist. Diese Unterscheidung in sozialer Sicherheit wieder erlebbar zu machen (statt sich mit Gedanken und Geschichten über unser Leid uns immer wieder zu identifizieren) – das ehrlich in einem sicheren Setting mitzuteilen, das lässt das ANS wieder physisch und messbar wachsen. Die eigenen Spielräume, kreative Lebendigkeit und authentisch verbundene Lebensfreude weiten sich wieder aus.
Dieses Wochenende starten wir wieder ein Männerzeit Jahres-Zyklus. Diesmal der Süden mit dem Titel „Der genährte Krieger“
Mag noch jemand spontan aufspringen? Das ist auch unter dem Jahr noch möglich:
6) Was uns unser Handysucht vielleicht sagen mag.
So wie viele verfluche ich manchmal mein am Handy hängenbleiben.
"Da und dort noch etwas schauen, und nochmals hinschauen, hinhören, vielleicht ist da ja noch was Neues...und da bitte auch nochmals ganz kurz checken."
Es piepst ja längst nicht mehr, ich habe schon vor langer Zeit alle Benachrichtigungen abgestellt. Nur noch Anrufe höre ich. Wenn es im Wald raschelt, werden wir aufmerksam. Seit es uns Menschen in diesem Nervensystem gibt, MÜSSEN wir einfach reagieren, wenn´s irgendwo piepst. Es piepst aber wie gesagt das Handy schon lange nicht mehr und trotzdem bin ich gefühltermaßen viel zu aufmerksam auf die Kommunikationen da draußen irgendwo. Viel zu aktiviert fühlt es sich dann an, auch ohne Kaffee.
Was hat mich so unruhig gemacht?
Ich möchte hier eine positive Sicht auf dieses "am Handy hängengeblieben sein" anbieten.
Es kann auch als ein Spiegel unseres Inneren gesehen werden. Wie alles übrigens. Hier als ein Spiegel einer sehr, sehr alten Nabelschnur zur Welt, die halt einfach nur in Verbindung mit der Umgebung sein will. Und das andauernd. Als etwas in unserer isolierenden Leistungsgesellschaft, das sich immer schon nach nichts anderem als nach Verbindung zur Welt sehnte. Viele Jahre war diese Sehnsucht bei mir persönlich eingefroren und z.B. mit schönen, edlen Mönchsgelübden vermauert. ... das Handy isoliert uns doch im Gegenteil noch viel mehr, oder? Langsam, lies noch etwas weiter.
Durch das digitale miteinander Vernetzen können wir uns daran erinnern, was für eine enorme Verbindungsmöglichkeit wir im Grunde eigentlich haben, immer schon hatten, ja lange vor der Erfindung des Handys. Eine Möglichkeit, die wir auch dann wieder haben werden, wenn es kein Internet mehr geben sollte. Verbindungsaufbau zu uns selbst und zu anderen ist nicht allein über die vertikale Achse des Geistes möglich. Das gilt sogar für Yogalehrer in Höhlen. ?
Unsere Handysucht kann ein Spiegel sein, der uns im besten Falle an unsere Sehnsucht er-innern lässt und in Folge auch finden lässt, was irgendwann mal aus Überlebensgründen weggeparkt werden musste. Ein Gefühl der Verbundenheit, das, wenn es da draußen irgendwann sicher genug erscheint, langsam wieder lebendig werden kann. Nur stabile Beziehungen können uns dafür genügend Sicherheit geben. Das Handy ist für die diese innere Sicherheit natürlich nicht zuständig, doch können wir im Spiegel unserer Handy-Gewohnheit unser eigentliches Bedürfnis und unsere tiefe Sehnsucht möglicherweise besser erkennen. Regelmäßig spüren wir in So-Seinsbegleitungen dem eigentlichen Bedürfnis nach. Jedes Bedürfnis ist so legitim. Sobald es wirklich gefühlt und anerkannt werden darf, eröffnet uns eine neugewonnenen Freiheit einen enorm klaren Blick auf unser Leben
Es gibt Auswege aus jeder Sucht, manchmal führen diese erstmal tiefer hinein in die Sucht. Eine fette Menge schönes Leben, das irgendwann einfach abgeschnitten werden musste, darf derart wieder aufblühen, sobald wir uns er-innern, was wir eigentlich sind.
JA, auch in unserer Handygewohnheit dürfen wir uns daran er-innern. Wie das am leichtesten in einem sicheren Rahmen gelingen kann, kannst du bei einer Einzel-Begleitung mit mir erleben. Die neue Lebendigkeit ist dann um einiges größer und weiter als unser Umgang mit dem Handy.
Sekundär wird sich auch dieser dann vielleicht verändern.
Sascha Tscherni Dezember 2022